Tag 8
Ich wachte auf und hatte keinen Bock.
Auf aufstehen, auf laufen, auf Ferienhäuschen räumen, auf Filterkaffee, auf alles.
Am liebsten hätte ich mir heute morgen um halb acht ein Taxi gerufen, auf dem Weg zum nächsten Flughafen einen Flug nach Haus gebucht und hätte dieses Frankreich fluchtartig verlassen.
Hab ich aber nicht.
Stattdessen habe ich das Ferienhaus geräumt, auf den Filterkaffee verzichtet, meinen Rucksack trotz allem geschultert und bin los. Tagesziel: 16km, runter nach Montrejeau wo mein Zug Richtung Atlantik fuhr.
Die dritte Nacht in Folge hatte ich nur sehr schlecht und sehr wenig geschlafen, hinzu kam ein Gewitter das hartnäckig seit gestern Abend zwischen den Bergen festhing und einfach nicht runtergehen wollte.
Der Rucksack saß nicht, der rechte Schuh drückte und es war so unfassbar DRÜCKEND!
Kurzum: Scheißtag um zu laufen.
Um zehn hatte ich den ersten (und zum Glück einzigen) Berg raufrunter hinter mir und machte kurz Pause. Mami anrufen, seelische Unterstützung erbitten.
Mami sagte, Bus fahren ist nicht mogeln – und Mütter haben immer recht.
Schade bloß, dass kein Bus fuhr.
Trampen? Puh… nicht der richtige Tag dafür.
Also laufen. Und laufen. Und laufen. Wenigstens plattes Land, ich konnte also einfach einen Fuß vor den anderen setzen, mit mir selbst (lautstark, hört ja keiner) über dies und jenes diskutieren und nach und nach Kilometer abreißen.
Ich hab so oft auf irgendwelchen Mauern gesessen und beschlossen dass ich nicht weiter mache.
Und vor kleinen Steigungen gestanden und mich beschwert dass ich kein Bock mehr auf bergauf habe.
Half alles nix. Wenigstens hatte ich ab Mittag die Gewitterwolke hinter mir und das drücken im Kopf wurde weniger.
Ich verließ die Pyrenäen mit dem Gefühl, das mitgenommen zu haben was ich brauchte. Eine Berg-Erfahrung und einige Berge in mir erklommen. Aber, was ich schon immer dachte und jetzt weiß, ich bin halt doch eher der Meer-Typ. Trotz all der grauen Abreisestimmung am heutigen Tag freue ich mich jetzt auf den Atlantik – auch wenn er noch vier Wandertage entfernt ist.
Und tatsächlich habe ich es den ganzen Weg bis Montrejeau geschafft! Im Bahnhof hab ich meine Schuhe von mir geworfen, gemerkt dass ich entweder die Socken nicht vertrage oder durch Brennesseln gelaufen bin, und beschlossen bei der nächsten Gelegenheit ein großes Bier zu kaufen.
Diese kam eine Stunde später in Pau (gesprochen (natürlich): Po).
Eine hübsche Stadt, in der ich sehr gern mehr Zeit gehabt hätte um mir das Schloss und die Altstadt anzusehen.
Allerdings reichte der Aufenthalt nur für einen kleinen Erkundungsgang durch die Straßen rund um den Bahnhof in der Hoffnung eine Pizzeria zu finden. Denn mein Körper schrie nach Fett, Salz, Kohlehydraten… und Bier.
Bier gabs, Pizza nicht. Also kam ich mit Schwipps in Peyrehorade an, wo Jean-Luc, der Gute, mich am Bahnhof abholte.
Und Jean-Luc, der Gute, kochte dann auch noch für mich!
Immer noch keine Pizza, aber ein weiteres Bier und Reis mit zucchini und Thunfisch. Scharf gewürzt, sehr lecker.
Und nun liege ich in einem Bett das mir leise eine erholsamere Nacht als die letzten Nächte verspricht.. lausche den Grillen und dem Wind..
Und bin froh, nicht aufgegeben zu haben.
Bonne nuit, mon chére amis!
Bonne nuit, ma chere – das sieht mir allerdings sehr nach Brennesseln aus!
Das Schwein gefällt mir übrigens auch!
Danke für den Bericht und die schönen Bilder, wie immer
Schlaf gut! ?