…war es April.

Fast schon Ende April, um genau zu sein.

Monat 7 in der Yogalehrer-Ausbildung, und weniger als vier Wochen bis zur Prüfung.
Monat 2 seit dem Tag im Februar an dem ein lieber Freund diese Welt verließ.

Ich war diese letzten zwei Monate hier still, und auch in mir ist es oft still. Eine lähmende Traurigkeit und Fassungslosigkeit haben mein Inneres fest im Griff und es fühlt sich irgendwie falsch an mit welcher Geschwindigkeit sich die Welt weiterdreht.

Nur, das tut sie. Und während in meinem Freundeskreis ein Loch klafft mit dem wir alle versuchen zu leben, füllt sich eine andere Leere die mich schon seit langem begleitet.
Da war ein freier Raum in mir, von dem ich dachte dass jemand anders ihn füllen könnte oder müsste. Und diesen Raum habe ich jetzt selbst beansprucht. Für mich. Für neue Gedanken und Taten, nutze Zeit die ich mit Warten verbracht habe für „mein Yoga“. Und fühle mich als würde ich mit jedem Tag vollständiger werden.

Letztens kam mir das Bild einer Kaffeekanne in den Sinn. Wenn ich eine Kaffeekanne wäre und auf meinem Kopf ein Kaffeefilter mit Pulver stünde, dann war es so als wäre im Oktober ein großer Schwall Wasser in den Filter gegossen worden. Einiges ist übergeschwappt und hat mir eine Kaffeedusche verpasst; der Geschmack war schon da, aber so richtig aufgebrüht war es nicht. Plötzlich hatte ich so viele neue Gedankenanstöße, so viele Dinge die ich tun oder lassen wollte, ich konnte es schmecken dieses starke Gebräu… Aber wie ein guter Kaffee braucht(e) auch das gelernte Zeit. Und nach und nach tröpfelt es in mein Bewusstsein. Heiß und aromatisch und mit einer gereiften Intensität. Langsamer, bedächtiger als die erste Dusche – aber schon durch meine Schichten hindurch.

Dinge, die Anfangs für mich eine riesen Sache waren (Ernährung, zum Beispiel) werden immer selbstverständlicher. Lebe ich vegetarisch? Nein. Aber größtenteils. Und ich habe meinen Frieden mit meinem eigenen Deal gemacht. Stehe dazu, versuche nicht zu dogmatisch zu sein.

Meditation fällt mir immer leichter, mein Körper ist so stark und fit wie nie zuvor und das Unterrichten mit all diesen richtigen Worten und Taten passend zur Asana fällt mir so leicht dass ich mich beinahe schäme damit Geld zu verdienen. Oh, apropos Geld verdienen: das hier war ein ganz toller Moment letzte Woche, als alle „meine“ Yogis über sich hinaus gewachsen sind und Kopfstand gemacht haben! Und dann auch noch diese fancy Hosenzusammenstellung… Wild Girls!

Und was ist mit Ahimsa (Gewaltlosigkeit), Satya (Wahrhaftigkeit) oder Ishvara Pranidana (Vertrauen in etwas größeres und die Akzeptanz eigener Grenzen)?
Für die Nicht-Yogis: Es gibt da diese Verhaltensregeln die ein weiser Mann vor vielen Jahren aufgestellt hat, nach denen ein Yogi sich richtet. Ähnlich wie die zehn Gebote. Wen es interessiert: http://www.so-ham.de/die-yamas-und-die-niyamas/

Manches fällt ganz leicht – manches nicht. Denn Ahimsa bedeutet natürlich nicht nur, dass ich meine Kollegen nicht hauen darf wenn sie blöd sind. Es bedeutet auch Gewaltlosigkeit in Gedanken: Ich soll niemandem schlechtes Wünschen.
Oder Satya: Wahrhaftigkeit, okay, nicht lügen. Aber auch in Konflikten ehrlich sein. Und das in Kombination mit Ahimsa. Welche Worte wähle ich, wenn eine sehr enge Freundin etwas tut was mir missfällt? Ehrliche, aber auch liebevolle. Die sie nicht verletzen. Gar nicht so leicht.
Und aus dem Bereich wie ich mit mir selbst umgehe: Ja, ich glaube schon immer an etwas Größeres. Aber vertraue ich dem auch? Und vertraue ich mir selbst als Teil des Großen Ganzen?

Sinnfragen die so spannend sind, aber auch so schwer zu beantworten und zu Leben sind.
Ich bin froh, ganz wunderbare Mädels in der Ausbildung kennengelernt zu haben mit denen ich über genau solche Dinge philosophieren kann. Denn von Außen betrachtet kann das wohl auch ziemlich anstrengendes nerdiges, abstraktes Zeug sein. 😀
Diese beiden zum Beispiel haben mein Herz von Anfang an ganz besonders berührt.

Und zwischen all diesen Yogasachen mit Ausbildung und Zusatzausbildung und Unterrichten und Lernen passiert das, was vorher alles war: Mein Leben!

Freunde die zum Glück geduldig und verständnisvoll sind, wenn ich schon wieder nicht kann weil ich ne bunte Leggins anhabe.
Meine Familie, die das ganze Thema einfach willkommen heißt und mit mir gemeinsam weiter geht.
Das Pferdchen, für die ich definitiv mehr Zeit haben will. Weil sie es verdient und weil sie mir gut tut.
Arbeit, von der ich lange dachte dass sie nur gut gemacht wird wenn man mit so viel Leidenschaft dabei ist dass sie die Grenze zum restlichen Leben immer wieder überschwappt. Guess what? Ist nicht so. Funktioniert auch mit einer guten Portion weniger Drama.

Ja, und immer wieder: die endgültige Abwesenheit eines geliebten Menschen. Etwas, das mein Leben verändert hat.
Auch wenn ich in der Lage bin seine Entscheidung zu akzeptieren, bleibt der Verlust.

Seit es passiert ist, begegnet mir ein Gefühl das ich vorher in der Intensität nicht kannte: Angst.
Vor der Dunkelheit, dem Alleinsein, klaren Vollmondnächten. Angst vor Verlust, aber auch Angst vor Nähe. Vor den Emotionen der anderen, die betroffen sind. Angst vor Dämonen die in uns allen lauern könnten, Angst vor dem tiefen Loch das jetzt da ist wo vorher er war – Angst vor der Angst.

Aber was mir Mut macht und mich daran glauben lässt dass die Angst nur ein vorübergehender Begleiter ist: Es ist viel von ihm in uns allen geblieben. Unser Freundeskreis ist noch näher zusammen gerückt und wir alle geben uns Mühe das weiter leben zu lassen was ihn für uns so besonders gemacht hat.

Schöne Worte um den Post zu beenden, oder?

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1 Kommentar

  1. Ach mein Mädchen …. gerade habe ich den Blogeintrag zum zweiten Mal gelesen, und seit dem ersten Mal laufen mir die Tränen herunter. Es ist so berührend, so echt und so unglaublich nah, was du schreibst, woran du mich und andere teilhaben läßt.
    Ich wünsche dir, dass du gut ohne Lücken leben kannst und dass die Angst dich wieder verläßt.
    Ich bin ganz nah bei dir und fühle mit, erlebe mit, genieße die wunderbaren Worte, die du findest.
    Alles Liebe, Mami

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